Lale-Andersen-Archiv

Eine kuratierte Datenbank deutscher Populärmusik 1930 bis 1970

Lale-Andersen-Archiv
Autor: M. Deinert
1. November 2025

Objekt des Monats 11/2025

Heft 31/1956 der Rundfunkzeitschrift Bild und Funk war eine ausgesprochene Lale-Andersen-Nummer: Am offensichtlichsten natürlich, dass das Titelblatt eine Momentaufnahme der Sängerin aus dem soeben (d.h. am 14. Juli 1956) abgedrehten Kinofilm[1] …wie einst, Lili Marleen schmückte. Aber auch im Innenteil sind zahlreiche Bezüge zum Leben und zur Karriere der zwischen 1942 und 1945 NS-verfemten Künstlerin zu finden, die selbst dort, wo sie zufällig sind, doch erstaunlich absichtsvoll scheinen…

Bild und Funk (1956/31) Rückseite | LAA-Inventarnummer I 604

Die Rückseite des Heftes zeigt die üblichen Bilderwitze, diesmal unter dem Motto: Auf Regen folgt Sonne… – so hieß das allen bekannte Nachkriegs-Schlagerlied aus der Feder Artur Beuls, des zweiten Ehemannes Lale Andersens, das ursprünglich in der Schweiz als Nach em Räge schiint Sunne erfolgreich geworden war. Auch sie selbst hatte es im Repertoire und 1952 während ihrer Tournee durch Finnland auf Schallplatte gesungen (His Master’s Voice TJ 7). Neben etlichen anderen Schlagersängern: Für den amerikanischen Markt beispielsweise hatten die Andrews Sisters dieses Schweizer Liedchen als Toolie oolie doolie—The Yodel Polka (When a Swiss Boy Goes Calling on a Swiss Miss in June…) 1948 zuerst populär gemacht.

Bild und Funk (1956/31) Seite 3 | LAA-Inventarnummer I 604

Doch zurück zur Zeitschrift: Der erste Beitrag befasst sich mit den Umwelt- und Folgeschäden von Atomschwaden, die bei den damaligen amerikanischen, englischen und russischen Atombombenversuchen bis weit in die Erdatmosphäre aufstiegen, niederregneten, Gras und Boden kontaminierten und die Menschheit weltweit beunruhigten.

Lale Andersen war Zeit ihres Lebens überzeugte Gegnerin der atomaren Aufrüstung. Im Jahr 1958 beispielsweise hatte sie gemeinsam mit zahlreichen anderen Schauspielern, Wissenschaftlern und Schriftstellern das Manifest Gegen die atomare Bewaffnung unterzeichnet.[2] Darin hieß es u.a.: „Wir protestieren gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr […]. Die Anwendung atomarer Waffen ist Selbstmord. Eine zusätzliche deutsche Atomaufrüstung schreckt den Kommunismus nicht ab, sondern dient seiner Argumentation und Propaganda. Wir appellieren deshalb an alle, die sich in dieser Stunde ihrer persönlichen Verantwortung bewußt sind, gegen den folgenschweren Beschluß des Bundestages demonstrativ Stellung zu nehmen.“

Bild und Funk (1956/31) Seite 12 f. | LAA-Inventarnummer I 604

Auf den Seiten 12 und 13 folgt ein kurzer Bericht zum Siegeszug des Liedes Lili Marleen während des 2. Weltkrieges an den westlichen Fronten, nebst ein paar Bildern von den Dreharbeiten des Films …wie einst, Lili Marleen – während über den Film selbst aber fast nichts geschildert wird. Vielmehr ist der Kurzbericht bloß Aufhänger für ein Preisausschreiben, für das die Zeitschrift von ihren Lesern persönliche Erzählungen rund um ihre Erinnerungen zum bekannten Lied erbittet. „Die Hauptpreisträger werden in Nr. 37 vom 9. September in Bild und Funk veröffentlicht.“ Die beiden ersten Preise: je ein Moped, der dritte und vierte Preis je ein Kühlschrank, der fünfte und sechste Preis je eine Kamera.

Bild und Funk (1956/31) Seite 31 | LAA-Inventarnummer I 604

Auf Seite 31 dann mehrere kleine Notizen zum Wochenprogramm des NDR und WDR. Darunter vorgestellt der Pianist Werner Twardy, der Anfang der 1960er Jahre viele erfolgreiche Electrola-Nachkriegsaufnahmen Lale Andersens arrangieren wird – darunter Die Fischer von Langeoog, Wenn du heimkommst oder Matrosen aus Pyräus – und den man hier erstmalig (mit Bild) der Öffentlichkeit bekanntmacht.

Vier Seiten später schließlich findet sich im Radio-Programmteil der Woche ein Bild von Ilse Werner und ihrem Gatten Josef Niessen. Beide Künstler waren zeitlebens mit Lale Andersen verbunden: Einerseits war Ilse Werner einer der Trauzeugen bei der Eheschließung Andersen-Beul am 15. Juni 1949 in Zürich, und im Gegenzug war Lale Andersen einer der Trauzeugen bei der Heirat Werner-Niessen am 13. August 1954 in Bad Wiessee. Bis zuletzt standen Ilse Werner und Lale Andersen im Briefkontakt und waren sehr eng befreundet.

Bild und Funk (1956/31) Seite 35 | LAA-Inventarnummer I 604

Die letzte Verknüpfung mit Lale Andersens Leben findet sich auf der letzten Seite des Radioteils mit dem Programmhinweis auf den akustischen Besuch in Lindau (mit Lonny Kellner, Gitta Lind, Stan Oliver, Horst Winter und dem Hansen-Quartett). In Lindau am Bodensee hatten sich nach Kriegsende die beiden Liebenden Rolf Liebermann und Lale Andersen aus alter Verbundenheit wiedergetroffen. In der TV-Dokumentation von Irene Langemann (D 2001) Die Stimme der Lili Marleen erzählt Komponist und Opernintendant Liebermann sehr eindrucksvoll von dieser Begegnung, bei der beide erkannten, wie sehr sie sich über die Jahre voneinander entfernt hatten, und dass von ihrem tiefen Gefühl nur noch Freundschaft übriggeblieben war.

Ein rundum sammelwürdiges Heft also.

Bild und Funk (1956/31) Seite 47 | LAA-Inventarnummer I 604

Belege

[1] Eintrag „…wie einst Lili Marleen“ in: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. (Stand 30.10.2025).

[2] zitiert nach: Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute. Wagenbach: Berlin 1979, Seite 145.