Auf der Auktions- und Verkaufsplattform eBay wird derzeit ein historisches Dokument von 1937 angeboten, das ein Autograph Lale Andersen / Lili Marleen o[n] Arian Blood Certificate (= Artikelnummer 297815361602) – also einen sogenannten „Ariernachweis“ der Nazizeit – zeigen soll. Bei diesem Schriftstück aber, das aufgrund des angeblich prominenten Bezuges für immerhin fast 400 Dollar international angeboten wird, lohnt genaueres Hinsehen…

Alle Abbildungen des eBay-Angebots Nr. 297815361602 (Bildschirmfotos, Stand 07.12.2025) werden hier als wissenschaftliches Bildzitat gemäß § 51 UrhG zur Begründung und Nachvollziehbarkeit der Analyse der Zuschreibung wiedergegeben. Die Analyse bezieht sich ausschließlich aufs historische Objekt, nicht auf den Anbieter. Deshalb wurden die Daten des Verkäufers bewusst anonymisiert.

Um wen geht es auf diesem historischen Formular einer „Erklärung“ eigentlich? Gestempelt in der Stadt „Hanau“ legt mit Datum vom „25. Jan[uar] 1937“ jemand dar: „Mir ist nicht bekannt, daß ich von jüdischen Eltern oder Großeltern abstamme“. Außerdem: „Ich bin verheiratet und habe 1 Kind“. Sowie: „Mir ist nicht bekannt, daß mein Ehegatte von jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt“. Die Unterschriften deutet der eBay-Verkäufer als „Nazi Officer ‚Orean Möller'“ und als „Lieselotte Bunnenberg“, dem Geburtsnamen von Lale Andersen, „famous singer of the song Lili Marleen„.
Um die Künstlerin selbst kann es hier in dieser „Erklärung“ eigentlich nicht gehen. Weder verbindet sie irgendetwas mit der hessischen Stadt Hanau, noch hat Lale Andersen im Januar 1937 nur „1 Kind“ – denn seit 1929 hatte sie bereits 3 Kinder (Björn, Litta und Michael). Also muss die „Erklärung“ vom darüberstehenden, korrekt auf der Unterschriftenlinie befindlichen Namen Möller stammen. Dieser Möller unterschreibt mit einem undeutlichen Vornamen, aber einer deutlichen Dienstabkürzung „P.I.“ – die in der Kopfleiste des Blattes mit Bleistift noch einmal klarer wiedergegeben ist.

Schaut man ins Einwohnerbuch der Stadt Hanau von 1934/35, finden sich unter dem Eintrag „Möller“ natürlich zahlreiche Vertreter. Darunter auch ein „Oskar“, der als „Postinsp[ektor]“ der hier unterzeichnende, nun lesbare „Oscar“ zu sein scheint – und dessen Abkürzung „P. I.“ sich damit auch aufklärt. Weiterhin würde es erklären, warum dieser Postinspektor, also ein Beamter im nationalsozialistischen Reich, zu diesem Zeitpunkt überhaupt eine solche Erklärung abgibt: Denn die zum 26. Januar 1937 (d.h. einen Tag nach der Datierung des eBay-Dokuments) in Kraft tretende Verschärfung des Deutschen Beamtengesetzes – gegenüber dem bereits 1933 geschaffenen Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums – schuf die Grundlage für Entlassungen, wenn Beamte mit einem jüdischen Ehepartner verheiratet waren. Vermutlich bescheinigen Oscar Möller und seine Ehefrau Lieselotte (geborene Bunnenberg, Benneberg oder Benneley) hiermit, von den rassistischen NS-Ausschlussgründen nicht betroffen zu sein.

Die Unterschrift der Ehepartnerin Möllers unterscheidet sich daher auch von der Handschrift Lale Andersens. Es gibt heute nur sehr wenige Schriftproben der Künstlerin mit ihrem Geburtsnamen in öffentlichen Sammlungen greifbar. Gisela Lehrke immerhin zeigt in ihrer Lale-Andersen-Biographie eine Schriftprobe von 1928 als „Li_selotte“ (auf Seite 24), und von 1931 als „Li_selott Wilke“ (auf Seite 29). Sieht man von dem jeweils unterschiedlich geschriebenen Anfangsbuchstaben „L“ ab, gleichen sich bei „…iselott(e)“ beide handschriftlichen Proben sehr genau.

Sie decken sich jedoch nicht mit der Unterschrift auf dem bei eBay angebotenen Dokument aus Hanau.
weitere Quellen:
Einwohnerbuch der Stadt Hanau (1934/35). Nach dem Stande vom 15. November 1934. Königs / Zippelius: Hanau 1934. Online PURL: https://www.digibib.genealogy.net/viewer/image/859684067D_1934/1/
Gisela Lehrke: Wie einst Lili Marleen. Das Leben der Lale Andersen. Henschel: Berlin 2002.
