LEBEN & WERDEGANG
1930 bis 1938 Volksschule und privater Klavierunterricht bei Wilhelm Witt in Hamburg-Wilhelmsburg,[3|11|13] dann 1937 bis 1939 Studium und Examen (oder Studienabbruch[11]) an der sog. Harburger Stadtpfeife, der Hamburg-Harburger Lehranstalt für Musik, Instrumente: Klarinette/Saxophon und Klavier/Akkordeon[8|9|10] | zunächst im Danziger Orchester Hans Busch tätig (erhielt als jüngstes Bandmitglied den Spitznamen „Fips“, den er zeitlebens beibehielt)[2|8|9|11|12] | Gastspiele u.a. mit Lale Andersen und Rudi Schuricke[11] | nach seiner Einberufung 1941 Mitglied eines Musikkorps der Kriegsmarine[8|9|11] | in dänischer Kriegsgefangenschaft Aufbau der 18-köpfigen Gefangenen-Big-Band Pik Ass[9|11|14]
1946 gründete er aus den Resten der Gefangenen-Big-Band in Bremerhaven ein eigenes Sextett (Berthold-Kämpfert-Orchester)[8|11] | ab 1947 beim BFN eines der Begleitorchester für die wöchentliche 10-Minuten-Sendung „Presenting Renée Rae“ (d.i. die spätere Renée Franke)[11] | 1951 erste Musikbearbeitung der Komposition „Habana-Mambo“ von Johannes „Jonny“ Müller, 1952 im Hamburger Tempoton-Verlag Hans Sikorski erschienen[11|15] | ab 1952 Orchesteraufnahmen für Polydor und Heliodor als Bob Parker[11] | 1955 bis 1965 Vertrag mit der Schallplattenfirma Polydor als Komponist und Talentsucher[8|11] | wagte 1960 die Produktion zu „My Bonnie“ mit den damals noch unbekannten Beatles[8|11] | 1960 erster Welterfolg mit dem Blues „Wunderland bei Nacht“ (Komposition von Klaus-Günter Neumann), danach Hits mit Waye Newton (1963 „Dankeschoen„), Frank Sinatra (1966 „Strangers in the Night„) und Al Martino (1965 „Spanish Eyes“ – zur Geschichte dieser Melodie: siehe eigenen Textabschnitt unten)[8]
1963 Gründung des eigenen Musikverlages Edition Doma[11] | gemeinsam mit Alfred K. Schacht war er 1971 Komplementär/Kommanditist im Tonika-Musikverlag[10] | bei der GEMA war er 1971 Mitglied der Schätzungskommission der Bearbeiter[10]
Erfolg in Zahlen
er schrieb fast 400 Kompositionen und über 750 Arrangements[12] | die Gesamtauflage seiner Platten lag zwischen 150 Millionen (Stand 1980) und 200 Millionen[9] | zahlreiche Auszeichnungen (u.a. 1984 Goldene Stimmgabel), Ehrungen, Goldene Schallplatten (letztere für „Dankeschoen„, „Spanish Eyes“ und „Strangers in the Night„)[8] | weitere Erfolge: „Africaan Beat„, „A Swinging Safari„, „Happy Trumpeter„, „My Way of Life„[10] | 1961 in den USA als Orchester No. 1 gewählt[11] | 1968 in New York insgesamt fünf BMI Awards (für „Lady„, „Spanish Eyes„, „Strangers in the Night„, „Sweet Maria“ und „The World We Knew„)[11] | 1993 in die internationale „Songwriters‘ Hall Of Fame“ aufgenommen[12]
Familie & Kinder
Vater: Matrose, Malergeselle, später Dekorateur an der Hamburger Staatsoper („Kulissenmaler“)[11|14] | Mutter: aus der Familie eines angesehenen Hamburger Schlachtermeisters und Wurstfabrikanten[11] | am 28. November 1946 Geburt einer ehelichen ersten Tochter[11] | 1951 Geburt einer zweiten Tochter Doris[11], welche 2012 die Bert-Kaempfert-Stiftung zur Unterstützung junger Musiker gründet[16]
Weggefährten
1943 Verlobung mit einer 19jährigen Dänin, im September 1944 Geburt einer unehelichen Tochter mit ihr, 1945 Auflösung der Verlobung[11] | im August 1946 Heirat mit Hanne Winkler († 26.03.1988)[11] | einer seiner engsten Freunde war Herbert Rehbein[11]
Adressdaten 1971[10]
Berthold Kämpfert
Bellevueweg 10 [oder 16: beide sind angegeben]
CH-6300 Zug (Schweiz)
SPANISH EYES — Geschichte eines Welterfolgs [3—7]
Bert Kaempfert (eigentlich Berthold Kämpfert) arbeitet 1964 an einem neuen Album für den amerikanischen Markt. Kaempfert ist ein gefragter Komponist und Arrangeur, bekannt für seinen unverwechselbaren „Kaempfert-Sound“ der leisen Töne, inzwischen als „Easy Listening“ verbreiteter Musikstil. Für den Wegbereiter dieser Stilrichtung ist sie ganz einfach „Musik, die nicht stört“.[3]
Das neue Album „The Magic Music Of Far Away Places“ ist die Idee der amerikanischen Decca. Für den Produktionschef Milt Gabler soll es „eine musikalische Reise rund um die Welt mit Stationen in Japan, Afrika, Europa und Amerika“ sein. Bekannte Titel arrangiert Kaempfert in seinem typischen Stil für diese Produktion, sucht aber noch nach einer eigenen Komposition mit italienischer Note. Es entsteht „Moon Over Naples“, eine hitverdächtige Melodie, wie sich herausstellen sollte. Das Album wird 1964 produktionsreif und im April 1965 in USA erstveröffentlicht.
Die Begeisterung führt bei Decca zu der Idee, für „Moon Over Naples“ einen Text zu verfassen. Kaempfert’s amerikanischer Verleger Hal Fein gewinnt hierfür das Team Charlie Singleton und Eddy Snyder. Für die englische Textfassung wählen sie den Titel „Spanish Eyes“. Auch wenn die Komposition italienisch angelegt ist, setzt sich der Verleger mit dem von ihm favorisierten Touch of Spain durch.
Bert Kaempfert hatte schon eine Reihe sehr erfolgreicher Titel für Freddy Quinn arrangiert, wie „Die Gitarre und das Meer„, „Unter fremden Sternen„, „Ich bin bald wieder hier„, um einige zu nennen. Mit Freddy Quinn als Interpret für die Vokalaufnahme von „Spanish Eyes“ wollte Bert Kaempfert seinem Freund helfen, sich auf dem amerikanischen Musikmarkt zu etablieren und gleichzeitig international seine Präsenz zu steigern. Es wäre auch eine Chance, sich vom Image des heimatlosen Fernweh-Sängers zu lösen, das ihm Lotar Olias verpasst hat. Der sprachgewandte Freddy Quinn war international durchaus kein Unbekannter. Konzertreisen in den USA standen oft in seinem Terminkalender, nennenswerte Plattenverkäufe in Amerika fehlen aber bisher in seiner Statistik.
Das Arrangement von „Spanish Eyes“ ist fertig, das Playback hatte Bert Kaempfert bereits in New York mit Chor eingespielt. Da die involvierten Platten-Label Polydor und Decca (übrigens nicht identisch mit Decca UK) unentschlossen sind, organisieren Kaempfert/Quinn die Produktion selbst und mieten in Miami ein kleines Tonstudio, da die beiden ohnehin gerade in Florida Urlaub machen; die Kosten werden geteilt. Die Aufnahmen sind am 19. und 20. Februar 1965. Neben „Spanish Eyes“ ist der zweite Titel „Along The Shore“, ebenfalls eine Kaempfert-Komposition, getextet von Bob Elgin. Im Studio moniert Vollprofi Freddy Quinn – er verfügt über eine fundierte musikalische Ausbildung – dass er den Textbeginn analog der Komposition „Spaaaaaaanish eyes“ singen müsste, was sich ja schlimm anhört. In einem Telefonat mit Texter Charlie Singleton kommt die Lösung mit dem Vorschlag „Blue Spanish Eyes“ zu singen. Passt.
Polydor und Decca können sich nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen. Es wird entschieden, die Single durch Four Corners, einem Sublabel von KAPP-Records, zu veröffentlichen. Achtbare Erfolge stellen sich ein, Großes ist nicht in Sicht. Die Dissonanzen machen zusätzlich die Entscheidung leicht, die Platte vom Markt zu nehmen. Das war die Stunde für den cleveren Verleger Hal Fein, der an „Spanish Eyes“ von Anfang an sehr interessiert war, jetzt einen anderen Interpreten zu suchen. Der Ausgang ist bekannt. Die Aufnahme mit Al Martino wird ein Welthit und macht Al Martino zum Weltstar. Unzählige Coverversionen (Elvis Presley, Andy Williams, Willie Nelson, Placido Domingo, Engelbert, Milva u.v.a.) und viele Auszeichnungen unterstreichen die internationale Popularität dieses Kaempfert-Titels.
Interessante Randnotiz: Polydor stützte damals die ablehnende Haltung damit, dass Spanier schließlich keine blauen Augen haben. Offensichtlich war niemand im Englischen so fit, dass „Blue“ ein trauriges Gefühl beschreibt. Das wussten andere besser.
Dass Polydor England den Titel im Februar 1965 in einer ersten Auflage ohne „Blue“ als Single produzierte, muss in Anbetracht des Statements von Freddy Quinn im Studio in Miami erstaunen. Warum Freddy Quinn 1969 „Spanish Eyes“ in einem Hamburger Studio aber noch einmal „Spaaaaaaaaanish“ aufgenommen hat, ist wohl sein Geheimnis.
Zur Historie gehört, dass Polydor nach dem unrühmlichen Verlauf ohne Hemmungen Freddy Quinn eine deutsche Vokalaufnahme mit dem Text „Mond, guter Freund…“ anbot. Der vielfach mit Goldenen Schallplatten ausgezeichnete Freddy Quinn lehnte ab mit dem Kommentar „Der erste deutsche Text war wohl der idiotischste und dümmste… So etwas wollte ich nicht.“[3]
Die deutsche Fassung (Text von Ulrich Blecher) wurde im Oktober 1965 mit Ivo Robic produziert, zunächst mit dem ursprünglichen Text. Mit später Einsicht befand man ihn als „unbrauchbar“ und fordert Akzeptables von Herrn Blecher.[3] Es folgt Februar 1966 die Aufnahme mit der bekannten Textfassung „Rot ist der Wein“.
Hürth, 13. September 2022
© Hans-Dieter Golombek
Sendungsnachweis
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Titelnachweis
veröffentlicht | Firma/Nr. | Bild | Matrize | Titel | Künstler |
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1999 | Bear Family (D) BCD 16313 AH (CD) |
90 Minuten nach Mitternacht |
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1999 | Bear Family (D) BCD 16313 AH (CD) |
Wunderland bei Nacht |
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1985 | Koch-Records (A/D) [hellblau] C 121 430 (12''LP) Heimat-Melodie |
Dankeschön [stereo] | |||
1977 | SR International (D) Polydor [rot] 66 133 0 / 66 134 8 (12''LP) Club-Sonderauflage |
Strangers in the Night [stereo] |
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1962 | Tefi (D) TA/S 7016 (Schallband) |
Muss i denn (Wooden Heart) (F+) |
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1961-05 [Hüllenaufdruck] | Polydor (D) J 73 525 (10''LP) Club-Sonderauflage |
Muss i denn, muss i denn | |||
1961 | Tefi (D) TD/S 2295 (Schallband) |
Muss i denn (Wooden Heart) (F+) |
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1960-01 [Hüllenaufdruck] | Polydor (D) LPH 45 219 (10''LP) |
My Baby Doll [dt.] (Medium-F+) |
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Polydor (D) HPM 47 016 (12''LP) |
Wiedersehn ist wunderschön |
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Ariola 18 994 AT (7'') |
K 18994 A-1 [lt. lt. Etikett 18 994 L a] | Fremde in der Nacht | |||
Decca D 19 722 (7'') |
D 11 437 | Lady [dt.] | |||
Philips |
Rot ist der Wein | ||||
Polydor (D) NH 24 710 (7'') |
24710-2 A [lt. Spiegel] | African Beat |
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Polydor (D) NH 24 710 (7'') |
24710-2 B [lt. Spiegel] | Echo in the Night |
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Quellen
- zugehöriger GND-Eintrag (der Deutschen Nationalbibliothek)
- Eintrag in: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. (Stand 10.06.2023)
- Marc Boettcher „Strangers in the Night – Die Bert Kaempfert Story“. Europäische Verlagsanstalt: 2002, S. 17, S. 157 ff., 276.
- Freddy-Quinn-Archiv, Wien
- Diskografien von Richard Weize | Bear Family Records.
- Eintrag in: Discogs – Musik-Datenbank und Marktplatz. (Stand: 10.06.2023)
- Privatarchiv Dieter Golombek, Hürth
- Matthias Bardong u.a.: Lexikon des deutschen Schlagers. Ed. Louis: Ludwigsburg 1992, S. 203 f.
- Prominente ohne Maske [– Band 1]. Hrsg. von Gerhard Frey. (5. Auflage) FZ: München 1985, S. 217. [stark tendenziös]
- Wer ist wer in der Musik. Pop 1971/1972. Hrsg. von Just Ptach. Wentorf 1971, S. A 48, A 126, B 86, G 3.
- Eintrag in: Rock'n'Roll- und Schallplatten-Forum. (Stand: 11.06.2023)
- Stiftung Historische Museen Hamburg: The King of Easy Listening – Die Bert Kaempfert-Story. (Stand: 11.06.2023)
- Bert Kaempfert – Good Life Music. Offizielle Website. (Stand: 11.06.2023)
- Werner Theurich: Bert Kaempfert. Ein Fremder aus Hamburg-Barmbek. (Spiegel-online vom 25.12.2002).
- Catalog of Copyright Entries – 3rd series (volume 6, part 5A, number 1). Washington 1952, S. 157.
- Christoph Dallach: Bert Kaempfert – "Mein Vater war besessen" (Zeit-online vom 2. Januar 2021).